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Letzte Änderung / Last update: 2024-Nov-09
Keine Angst vor großen Zahlen
Irritation durch riesige Zahlen? Das kann man relativieren.
100 Milliarden
Beispiel: In der Milchstraße gibt es ungefähr 100 Milliarden Sterne.
So eine große Zahl kann man sich nicht richtig vorstellen. Das sind
11 Nullen! Aber man kann sich bewusst machen, dass sich das Ganze im
Dreidimensionalen abspielt. Also verteilen sich jene 11 Nullen auf drei
Dimensionen. Da die Milchstraße eine flache Scheibe ist, ist sie in der
einen Dimension sehr viel kleiner als in den anderen beiden. Also kann
man über den Daumen je 4 Nullen für Länge und Breite ansetzen (ok, die
Milchstraße ist rund, aber rechnen wir mal großzügig mit einem Quader)
und die restlichen 3 Nullen für die Höhe bzw. Dicke der Scheibe.
Was heißt das konkret?
Nun, dass die Milchstraße im Durchmesser ca. 10.000 Sterne enthält und
in der Höhe ca. 1000 davon, alles mehr oder weniger gleichmäßig verteilt.
Das hört sich zumindest für mein Vorstellungsvermögen schon wesentlich
fassbarer an. Die Milchstraße weist einen Durchmesser von ca. 100.000 Lj
(Lichtjahren) auf, durch 10.000 macht also durchschnittlich 10 Lj Abstand
der Sterne untereinander. Das passt hervorragend zu unserer eigenen Umgebung
um unsere Sonne herum, wo der nächste Fixstern, Alpha Centauri, ca. 4,5 Lj
entfernt ist.
86 Milliarden
Ganz ähnliche Zahlen: Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 86 Milliarden
Zellen. Sein Volumen kann man grob einem Würfel von 11 cm Kantenlänge
gleichsetzen. Die dritte Wurzel aus den 86 Milliarden ist grob 4400.
Das heißt also, dass sich in dem Würfel jeweils 4400 Neuronen auf die
11 cm = 110 mm Kantenlänge verteilen, oder ca. 40 Neuronen
pro Millimeter. Das hört sich schon gar nicht mehr so unfassbar extrem an.
Das schafft jedes bessere Mikroskop.
Aber das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die Anzahl der
Zellen in unserem Gehirn ist vergleichbar der Anzahl der Sterne in unserer
Milchstraße!
30 Millionen
Noch so ein Beispiel: Man hat im beobachtbaren Teil des Universums die
Daten von bisher 30 Mio Galaxien ausgewertet. Eine riesige Zahl. Wenn man
die aber auf drei Dimensionen verteilt, sind das je Raumdimension nur noch
300 Galaxien, 150 zu einer Seite von uns, 150 zur anderen. Das hört sich
gleich viel harmloser an. – Wie bin ich jetzt auf dieses Ergebnis gekommen?
Erstens rechne ich statt mit 30 mit 27 Millionen. Das ist vertretbar,
weil es hier nur um ganz grobe Abschätzungen gehen soll. Und der Zweck ist,
dass man aus 27 leicht die dritte Wurzel ziehen kann: 3. Ich will ja die
Zahl 27 Millionen = 27.000.000 auf drei Dimensionen verteilen,
dazu muss ich eben die dritte Wurzel ziehen. Aus der 27 wird so die 3, und
aus den 6 Nullen werden jeweils 2. Zusammen ergibt das
3*100 = 300 für jede der drei Dimensionen. – Alles unter der
Annahme, dass sich die Galaxien gleichmäßig im Raum verteilen.
Bei den Galaxien kann man allerdings überhaupt nicht von einer gleichmäßigen
Verteilung im Raum ausgehen. Vielmehr ballen sie sich in fadenförmigen
sogenannten Filamenten, die sich wiederum zu räumlichen Netzen organisieren.
Dazwischen gibt es leere "Blasen" (engl. "voids"), die anscheinend wirklich
extrem leer sind.
Billionstel
Mit vielen Nullen umzugehen habe ich schon in Schulzeiten bei meinen
Radiobasteleien gelernt, allerdings andersrum, mit Nullen hinter dem Komma.
Wenn man ein Radio nach alter Analogtechnik baute, brauchte man als zentrales
Teil einen Schwingkreis bestehend aus einer Spule und einem Kondensator.
Damit wählte man die Frequenz aus, auf der man einen Sender empfangen wollte, siehe
[WP Detektorempfänger].
Für Mittelwelle, die damals noch sehr belebt war, brauchte es eine Spule mit
ca. 100 Windungen Draht sowie einen Drehkondensator mit einstellbarer
Kapazität von 50 bis 500 pF. Wofür steht nun dieses "pF"? Ich lernte, dass
man das "Pikofarad" ausspricht. Das half natürlich ungemein. Erst später
lernte ich, dass es um die SI-Einheit
[WP Farad]
geht, also Ladung je Spannung, wieviel Ladung ein Kondensator pro angelegter
Spannung speichert, in SI-Einheiten As/V (Ampèresekunden je Volt).
Und das "piko" vorweg steht für 10-12, das sind Billionstel.
Wenn man zwei isolierte Drähtchen (Klingeldraht, Schaltdraht) auf ca.
2 cm miteinander verdrillt, ergibt das schon ca. 2 pF.
Ok, das ist also die Größenordnung für Kondensatoren im HF-Bereich.
Wenn es in den NF-Bereich geht, sind es mindestens ein paar nF, Nanofarad.
Das "nano" steht dabei für 10-9, also das Tausendfache von piko,
das sind Milliardstel. Je nach
Schaltungsteil kann es dann auch schon in die nächste Stufe mit mehreren
"µF", also Mikrofarad, gehen. Das "mikro" steht für 10-6, dafür
steht der griechische Buchstabe µ (ausgesprochen mü), also ein Millionstel.
Wenn es dann um ganz niedrige Frequenzen geht, wie für die 50 Hz
im Netzteil, geht es wieder drei Nullen weiter. Da müsste man dann von
Millifarad, also 10-3 Farad sprechen. Das macht aber keiner, man
schreibt dann lieber beispielsweise 5000 µF. Und für ganz spezielle
Anwendungen gibt es sogenannte "Goldcaps", also Gold-Kondensatoren, deren
Kapazitäten einige ganze Farad erreichen können. – Im Nachhinein bin ich
echt platt, dass man mit so simplen, alltäglichen Bauteilen – bis auf die
Goldcaps alles Cent-Artikel – 12 ganze Zehnerpotenzen überdecken kann.
4 Gigahertz
Ein anderer Fall mit großen Zahlen: Computerchips, Mikroprozessoren.
Irgendwann ist mir aufgefallen, dass es anscheinend eine Schallmauer bei
den Taktfrequenzen für solche Chips gibt, die bei ca. 4 GHz liegt, also
4 Milliarden Hz. (Mein erster eigener, richtiger Computer lief noch mit
1 MHz, also einem Viertausendstel davon!) Normale Computer laufen heutzutage
(das ist 2024) mit etwas unter 4 GHz, und nur spezielle, übertaktete
Rechner, meist für Gaming-Zwecke, gehen etwas über diese 4 GHz hinaus,
es können auch bis zu 7 GHz werden.
Der Physiker in mir fragt sich natürlich, was steckt dahinter? Und da
erinnerte ich mich an meine Uni-Zeit, wo mich ein Kollege mal fragte:
"Wie groß ist eine Nanosekunde?" Und er gab auch gleich die Antwort und
zeigte mit seinen Händen eine Entfernung von ungefähr 30 cm an und sagte
das auch: "30 Zentimeter!" Das habe ich als braver Physiker gleich
verstanden: Die Lichtgeschwindigkeit beträgt ca. 300.000 km/s, in einer
Nanosekunde legt das Licht also eine Entfernung von 10-9*300.000 km
zurück, das sind 3*10-4 km = 3*10-1 m = 30 cm.
Von diesen 30 cm müssen wir nun ausgehen:
1 Nanosekunde entspricht 30 cm
So, und jetzt schauen wir wieder unsere Prozessorchips an:
Deren Taktfrequenz von 4 GHz bedeutet
eine Periodendauer des Taktsignals von 1/4 Nanosekunde. In dieser Zeit legt
Licht – und auch ein Stromimpuls – etwa 7 cm zurück. Ein Chip
erreicht aber auch schon ungefähr diese Abmessung! Bei einem einzigen Takt kommt
ein Signal innerhalb des Chips also gerade einmal knapp von einem Ende zum
anderen! Das bringt Probleme, die Konstrukteure müssen das bedenken, wenn
sie entscheiden, wie die Teile des Chips intern angeordnet werden müssen,
um mit diesen schon merklichen Laufzeiten klarzukommen. Und noch weiter könnte
man das erst ausreizen, wenn man die Elektronik des Chips nochmal eine
Größenordnung kleiner und kompakter gestalten könnte. Es gibt da ein paar
Ansätze, indem man verstärkt in die dritte Dimension geht und alles in mehreren
Schichten übereinander stapelt, aber viel ist da wohl nicht mehr zu holen.
Mit anderen Worten: Das
[WP Mooresche Gesetz]
stößt langsam an handfeste physikalische Grenzen. Und: Die
[WP Lichtgeschwindigkeit]
ist auch nicht so schrecklich schnell, wenn sie schon auf einem Chip, der etwa
so groß wie eine Handfläche ist, kaum hinterherkommt. Das folgende Bild aus der
Wikipedia zeigt animiert anschaulich in Echtzeit, wie ein Lichtimpuls in etwas
über einer Sekunde von der Erde zum Mond und zurück läuft:
(Quelle: Wikipedia Commons)
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