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Letzte Änderung / Last update: 2024-Jun-27 TorschusstrainingAnregungen für die Trainer der Bundesliga-FußballmannschaftenLiebe Trainer, es gibt sie ja immer wieder zu beklagen: eine ausgeprägte Schussschwäche bei den Stürmern der Bundesliga-Fußballmannschaften. Daraufhin habe ich mal etwas in meinen Erinnerungen gekramt und aufgeschrieben, was hierbei evtl. helfen könnte. Falls das alles schon kalter Kaffee und altbekannt ist, dann Asche auf mein Haupt und Entschuldigung für Ihre Zeit. Fußballstürmer-TrainingProblem: Man sieht oft, dass Stürmer vor dem Tor scheinbar den Kopf verlieren und den Ball nur noch sinnfrei irgendwie in Richtung Tor spielen, meist direkt in die Arme des Torwarts, der dann ohne Aufwand klären kann. Alternativ geht der Ball weit über oder neben das Tor. Aktuelles (Nov. 2023), negatives Beispiel: die deutschen Nationalspieler. Wie gesagt, das geschieht unkontrolliert, in einer extremen Stresssituation, wie in einer blinden Panik. (Seit März 2024 nicht mehr so aktuell.) Richtige Knipser erkennt man daran, dass sie in solchen Situationen eiskalt bleiben und weiter präzise erkennen können, wie sie den Ball am Torwart vorbeibringen können. So wie Alex Meier Fußballgott, Lewandowski, Harry Kane oder Muani. Diese Leute geraten vor dem Tor eben nicht in Panik, sondern können weiterhin klar denken, wissen weiterhin, wo das Tor steht, erkennen, wo der Torwart steht und wie man an ihm vorbeikommen kann, und sehen außerdem, wo Abwehrspieler im Weg stehen. Zuletzt können sie auch ihre Schussstärke dosieren, wo ein sanfter, umso kontrollierterer Chip oder Lupfer reicht oder wo man voll draufhalten muss. Ein Musterbeispiel hierfür ist Harry Kane. In einem ausführlichen Interview (Spiegel 25/2024, S. 79, "Dieser Wille brennt wie ein Feuer in mir") beschreibt er genau, wie er diese Problematik angeht: Wie er sich vor einem Spiel rein durch Vorstellungskraft auf alle Eventualitäten einzustellen versucht. Das ist praktisch das mentale Training – halt selbst organisiert – von dem unten noch mehr die Rede sein wird. Außerdem betont er, wie wichtig eine saubere Ballannahme ist, da das die besten Voraussetzungen für einen sauber angesetzten Torschuss im folgenden Schritt schafft. Aufgabe: Die Spieler so trainieren, dass sie diese Situation genauso wie jene Knipser beherrschen. Sie sollten in die Lage versetzt werden, die Übersicht zu behalten. Das sollte möglich werden, indem diese ganze Situation intensiv und oft durchgespielt wird, so dass sich Routine einstellt statt einer Panik. Danach kann der Spieler auf eingespielte Mechanismen zurückgreifen und die übrig gewordene Konzentration darauf verwenden, sich auf Details der aktuellen, konkreten Situation angemessen einzustellen. Dieses Durchspielen muss nicht unbedingt mit hohem Zeitaufwand auf dem Platz stattfinden, es hilft auch schon, wenn man es rein gedanklich, "mental", oft und oft durchgeht. Lösung: Das Training sollte aus zwei Phasen bestehen:A) mentales Training, B) praktisches Training auf dem Platz. A) Mentales TrainingVorgeschichte: Ich habe in den 1970er-Jahren an der TU Braunschweig studiert. Für Studierende und Mitarbeiter gab es ein relativ preiswertes Angebot für Tennis im Umfang von zwei Wochenstunden. Das zur TU gehörende Sportinstitut ("IfL" = Institut für Leibesübungen) organisierte alles. An diesem Sportinstitut arbeiteten auch die Theoretiker des Deutschen Tennisbundes. Sie hatten einige Jahre vorher unter anderem die gelben Tennis- und Tischtennisbälle eingeführt, deren Farbe für besseren Kontrast und damit bessere Sichtbarkeit sorgt. Ich hatte vorher ein paar Jahre Praxis in Tischtennis, allerdings ist das für Tennis nicht nur von Vorteil. Also war ich kompletter Laie im Tennis. Der Zufall wollte es, dass gerade in dem Jahr das Sportinstitut für uns Anfänger eine besondere Einführungsveranstaltung anbot: Einen Abend im Hörsaal mit theoretischer Einführung und mentalem Training, am folgenden Tag ein paar praktische Übungen auf dem Platz mit Mitarbeitern des Sportinstituts als Trainern. Diese Veranstaltung gab es nur in diesem einen Jahr, weder davor noch danach, ich hatte einfach Glück. Das mentale Training fand in einem eher dunklen Hörsaal statt und bestand damals darin, dass ein Mitarbeiter die Grundschläge und Griffweisen in Zeitlupe vorführte, so dass man sie im Geiste nachvollziehen konnte. Anschließend wurden die Zuhörer aufgefordert, diese Elemente im Geiste bei geschlossenen Augen, aber noch ohne Schläger in der Hand nachzuvollziehen und allmählich von Zeitlupe auf echte Geschwindigkeit zu steigern. Das wurde mehrfach wiederholt, dazwischen machte der Trainer die Teilnehmer auf diverse Details oder häufige Fehler aufmerksam. Das funktionierte überraschend gut: Am nächsten Tag bei der Praxis auf dem Platz konnte man die Bewegungen schon halbwegs koordiniert vollziehen. Es entstand der Eindruck, dass man sich jede Menge Anfangsschwierigkeiten erspart hatte.Zum FußballDiese Methodik würde ich nun auf die Situation eines Stürmers vor dem Torschuss übertragen wollen. Die Übungen sollten abends stattfinden, idealerweise als Letztes vor dem Schlafengehen. Jedenfalls sollte danach keine Aktion mit viel Gedankenarbeit unternommen werden. Die frisch eingeübten Vorgänge sollen Gelegenheit bekommen, sich über Nacht ins Langzeitgedächtnis einzuprägen. Damit man sich besser innerlich auf bestimmte Situationen konzentrieren kann, sollte das Licht im Raum eventuell etwas gedimmt werden. Vielleicht kann man auch geeignete Bilder von typischen Strafraumsituationen projizieren. Beim Fußball gibt es eine unendliche Anzahl von möglichen Spielsituationen, die man natürlich nicht alle behandeln kann. Man muss sich auf eine Reihe typischer und nach Erfahrung besonders oft ineffizient verlaufender Situationen beschränken. Als Nichttheoretiker im Fußball rate ich, dass man hier Folgendes anführen könnte, diese Liste ist natürlich beliebig anpassbar:
B) Praktische ÜbungenDas muss natürlich auf dem Platz passieren. Das herkömmliche Torschusstraining, wo der Spieler ähnlich wie beim Elfmeter den Ball ins leere Tor oder auch das Tor mit reaktionsbereitem Torwart zu treffen versucht, ist weiterhin nützlich, da damit die grundsätzliche Treffsicherheit eingeübt wird. Zusätzlich sollte man aber ein paar der oben genannten Situationen in größerem Detail durchspielen:
Nachtrag: Ich selber könnte das alles nicht selbst durchführen, ich war damals nur Nutznießer dieser Aktion und fand sie wie gesagt sehr hilfreich. Ich habe auch danach nie wieder Kontakt zu den Fachleuten vom Sportinstitut gehabt. Heutzutage bin ich eher ein komplett sportabstinenter Nerd, aber eben auch einer dieser 80 Millionen Bundestrainer, die alles besser wissen. Ich würde mich freuen, von Fachleuten zu hören, ob das Binsenweisheiten sind oder vielleicht real weiterhelfen. ↑ Seitenanfang/Top of page / DSGVO, © Copyright Dr. Peter Kittel, Frankfurt/M, 2020, 2021, 2022, 2023, 2024 |