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Letzte Änderung / Last update: 2024-Nov-14 Solarenergie I: Gewinnung in zweiter Etage, Agri-PVThemenfeld Energieversorgung
Hier soll es um einen Ansatz gehen, der sogar schon praktisch erprobt wird und der in Planungen schon immense Größenordnungen annimmt. Und ich kann dem auch einiges abgewinnen. Es geht darum, dass man Solarzellen nicht auf dem Boden (oder einem vorhandenen Dach) montiert, sondern aufgeständert in der zweiten Etage. Dafür gibt es mehrere Kandidaten an Flächen, die man mit so etwas überdachen könnte:
Die verfügbaren Flächen für diese Nutzung sind schon lokal in Deutschland gigantisch, siehe auch unten. FlächenabdeckungUnbezweifelbar schirmen Solarpaneele, auch wenn sie in einer gewissen Höhe montiert werden, das am Boden ankommende Sonnenlicht zumindest zum Teil ab. Das hängt auch davon ab, wieviel Prozent der Fläche man mit Solarpaneelen bedeckt. Mein Gedanke dabei ist, dass man es nicht zu übertreiben braucht: Je weniger Abdeckung, desto weniger Abschattung am Boden, dann braucht es auch weniger Aufwand bei der Mechanik, s. u. Wenn zwischen den Paneelen größere Abstände liegen, kann die Sonne im Laufe eines Tages fast jeden Fleck des Bodens erreichen, und kein Ort am Boden wird total verschattet. Andererseits ist der Abschattungseffekt in manchen Fällen und manchen Gegenden gerade willkommen: Wenn die allgemeinen Temperaturen immer mehr steigen, kann man so einen willkommenen Kühleffekt erzielen.Verfügbare FlächenDer wichtigste Gesichtspunkt des ganzen Themas ist, dass die zur Verfügung stehenden Flächen einfach riesig sind. Wenn man alle Äcker, Weiden, Autobahnen und andere größere Straßen sowie die größeren Bahntrassen mit hochgeständerten Solarpaneelen versehen würde, käme man auf elektrische Leistungen, die keinerlei weitere Bedürfnisse mehr offen ließen. Okay, halt nur tagsüber, für die Nachtstunden und Schlechtwettertage muss man wieder einmal das noch ungelöste Problem der Speicherung der elektrischen Energie angehen.ErtragEin SPON-Artikel liefert folgende Anhaltswerte: Für 1 kW Peak-Leistung braucht man ca. 5 m² Fläche.Dieses 1 kW Peak bringt ca. 1000 kWh Energie übers Jahr. Agrarphotovoltaik, "Agri-PV"Die Abschattung ergibt im schlechten Fall eine Minderung des Ertrags einer Felderbewirtschaftung unter dem Solarfeld. Im günstigen Fall wirkt sich das aber gerade günstig aus, wenn man im Zuge der Klimaerwärmung an immer heißere Sommer denkt oder einfach an Weidebetrieb, wo die Tiere im Sommer gern etwas Schatten genießen. Es gibt schon Versuchsfelder am Bodensee und in Hessen, wo man vor allem den befürchteten Minderertrag durch die Verschattung untersucht hat. Das Ergebnis war hier erfreulich: Der Minderertrag war deutlich geringer als befürchtet, insgesamt scheint sich die Anlage zu rentieren. Bei Äckern allgemein und auch spezielleren Fällen wie dem Weinanbau muss man die Solarpaneele ziemlich hoch oben montieren, damit man darunter noch mit normalen Landmaschinen arbeiten kann. Das treibt den Aufwand etwas höher, das wird weiter unten diskutiert. Dazu gibt es einen FR-Artikel 1, in dem über ein Projekt des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) berichtet wird. Eine neuere Darstellung im FR-Artikel 3 (mit verdeutlichendem Bild) zeigt die Doppelnutzung für Agrar-Anbau und Photovoltaik. Auch in den Niederlanden gibt es laut FR-Artikel 2 solche Projekte. Das sieht für mich sehr vielversprechend aus. Mitte 2022 wird in der Sendung MEX (hr-Fernsehen, Mediathek) (Min. 7 bis 13:30, dieser Link funktioniert nur bis zum 29.06.2023 und NUR mit freigeschaltetem [WP JavaScript]!) über diese Methode und diverse Anwendungen davon berichtet. Zitat: "Mit nur 4 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland könnte man den kompletten Strombedarf decken." Das Fraunhofer-Institut und andere Forschungsstellen sind in das Projekt integriert. Die Aufständerung sieht dabei für meine Augen noch ziemlich aufwändig und teuer aus, da ließe sich wohl noch einiges vereinfachen und verbilligen. Auch die Varianten mit niedrigerer oder höherer Aufständerung werden angesprochen.Zum selben Thema kamen ein weiterer FR-Artikel sowie ein Spiegel-Artikel: "Die Strombauern", Heft 30/2022, S. 96 (leider kein SPON-Link). Im Jahr 2023 spricht sich dieser Ansatz immer weiter herum: FR: Agrikultur auf neuen Ebenen. Acker: kleine Einzelflächen, regelmäßige Anordnung, damit noch genügend Licht am Boden ankommt, und im Laufe eines Tages auch alle Bereiche beschienen werden. Senkrechte SolarmoduleEin ganz anderer Ansatz kam im TV (hr "mex"): Senkrecht angeordnete Solarpaneele auf Ackerflächen. Sie verlaufen exakt in Nord-Süd-Richtung und sind mit sogenannten Bifazialen Modulen – beidseitig PV-aktiven Solarmodulen – bestückt, so dass sie praktisch den ganzen Tag lang beschienen werden. Diese zaunartigen Wände sind in gleichen Abständen angeordnet, so dass Landmaschinen dort fast störungsfrei arbeiten können. Da hier keine Aufständerung nötig ist, sollten die Kosten geringer sein. Der Platzbedarf ist relativ gering, die Ausbeute aber auch geringer als optimal geneigte Flächen. Die Abschattung des Ackers ist wahrscheinlich auch noch tolerierbar. Je nach Situation kann es aber insgesamt lohnend sein. Firmen-Link: https://www.next2sun.de/ (auch im o. g. Spiegel-Artikel erwähnt). – Meine eigene Idee, die Ausbeute noch etwas zu steigern: Man könnte die Paneelwände preiswert um ca. einen halben Meter nach oben erhöhen, und zwar mit einer einfachen weißen Fläche, aus Kunststoff, lackiertem Holz oder Textil. Diese weiße Fläche soll dann Licht auf die eigentlich unbeschienenen Flächen zurückstreuen, wenn das Licht von der Seite kommt. Ein paar zusätzliche Prozent Ausbeute könnten so gut zusammenkommen.Photovoltaik über WeideflächenHier gilt im Prinzip das Gleiche wie bei Ackerwirtschaft, nur dass im Prinzip etwas weniger Aufwand zu treiben ist. Wenn man beispielsweise nur Schafe oder Ziegen weidet, brauchen die Paneele nicht so weit oben montiert zu werden wie etwa bei Rindern oder Pferden. Auch sind hier die Landmaschinen evtl. nicht unbedingt so hoch wie bei Äckern. Die Abschattung muss man hier etwas anders berücksichtigen als bei Äckern. Einerseits muss das Gras, welches das Weidevieh fressen soll, genügend Sonnenstrahlen empfangen, andererseits wird das Vieh gerade größere Schattenflächen ausnutzen, um zu viel Sonnenlicht zu entgehen. Damit sollte man die Solarpaneele so auslegen, dass sie aus weniger, aber dafür größeren Flächen gebildet werden. Merkwürdigerweise gibt es aber auch gegen diese Anwendung Proteste: Fuldaer Zeitung. Obwohl das beigefügte Bild gerade zeigt, wie Schafe es sich im Schatten der Solarpaneele gemütlich machen, wird eine "Verschandelung des Landschaftsbildes" beklagt. Eventuell muss hier lediglich eine Gewöhnung erreicht werden. Auf jenem Bild sieht man sogar, dass das Gras unterhalb der Paneele sogar höher steht als dazwischen. Das könnte einerseits daran liegen, dass das unabgedeckte Gras von der Sonne verbrannt ist, oder dass die Schafe das Gras im Schatten nicht so gerne fressen. Weide: große Einzelflächen mit Abstand, regelmäßige Anordnung, so dass die Tiere an heißen Tagen auch gut Schatten suchen können, während die Fläche trotzdem über den Tag komplett beschienen wird.Photovoltaik über Autobahnen und BundesstraßenBei der Überbauung von Straßen muss zusätzlich die Sicherheit in höherem Maße berücksichtigt werden als bei Äckern oder Weiden. Also muss man da den Schwerpunkt mehr auf Stabilität legen. Wenn so etwas z. B. durch Windböen herunterfällt, könnte das sonst zu gefährlichen Unfällen mit Verletzten und Toten führen. Autobahn/Bundesstraße: kleine Einzelflächen, unregelmäßige Anordnung In der Schweiz und in Deutschland wird schon konkret eine Überbauung von Autobahnen ins Auge gefasst, siehe heise.de und heise.de.Photovoltaik über Bahntrassen
Photovoltaik über ParkplätzenDiese Variante war mir bisher entgangen, sie ist aber schon teilweise gesetzliche Pflicht bei Neuanlagen. Vor allem Frankreich ist hier schon vorgeprescht, in Deutschland haben diverse Bundesländer auch schon Regulierungen auf den Weg gebracht. Irgendwann soll diese Pflicht dann auch für bestehende Parkplätze gelten. Die Pflicht gilt meistens ab einer gewissen Mindestgröße, gemessen in Stellplätzen. Diese Mindestzahlen sind noch sehr verschieden, sie reichen von 30 bis 100. Laut ct-Artikel rechnet man in Frankreich mit einer Gesamtausbeute von 9 bis 11 Gigawatt Leistung, also ca. 10 Kernkraftwerken. Dieser Ansatz erscheint mir sehr vernünftig und auch gut und effizient umsetzbar, was ja anscheinend auch schon begonnen hat. Nur sehe ich die Gesamtausbeute im Vergleich zur Agri-PV doch als eher klein an, aber es kann auf jeden Fall helfen.Mechanik, AufständerungPrinzipiell müssen Solarpaneele bei dieser Art der Nutzung aufgeständert werden, d. h. es muss ein Mindestabstand zum Boden eingehalten werden. Der wird vor allem durch die Abmessungen von Landmaschinen im Fall der Agrarphotovoltaik und durch die Höhe normaler Lkw auf Autobahnen vorgegeben. Das wird bisher (bei den oben verlinkten Fraunhofer-Projekten) mittels Metallkonstruktionen mit Ständern und Längs- und Querträgern mit Gitterverstrebungen realisiert. Das sieht mir nach ziemlich teurem Aufwand aus. Aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass es sich hier um Prototypen handelt, wo noch nicht auf maximale Kosteneffizienz geachtet wird. Um den Aufwand nicht zu sehr in die Höhe zu treiben, denke ich an Konstruktionen wie auf den Hopfenfeldern in der Hallertau/Holledau. Dort verwendet man Holzstangen und Drahtseile, an denen die Hopfenpflanzen hängen. Diese Hopfenranken bringen zusammen auch ziemlich hohe Gewichte auf und sind Solarpaneelen durchaus vergleichbar. Ähnliches verwendet man, wo man Felder oder Fischzuchtteiche mit Netzen überspannt, um Vögel fernzuhalten. Wikipedia-Bild: Hopfenanbau. In diesem YouTube-Video kann man sehr gut die Aufhängung der Hopfenpflanzen erkennen. Bei dem ruppigen Erntevorgang kann man auch gut einschätzen, wie stabil die Mechanik ausgeführt ist: [YT Hopfenernte 2019 mit FENDT 209 S - Wolf Erntemaschine]. Ähnliche Konstruktionen sieht man auch in Obstplantagen, wo man mit Netzen die Vögel davon abhält, die Früchte wegzuessen. Das Prinzip stelle ich mir so vor, dass wie beim Hopfenanbau mit stabilen Pfosten gearbeitet wird, die jeweils im Rechteck, genauer in einem rechteckigen Raster, angeordnet sind. Sie sind mit Fundamenten versehen und mit zusätzlichen Spannseilen zum Boden stabilisiert. Zwischen ihnen werden längs Stahlseile gespannt, immer zwei übereinander. An Querseilen, die grob in Ost-West-Richtung verlaufen sollten, sind in gewissen Abständen Solarpaneele aufgehängt, deren untere Ränder ebenfalls mit Querseilen (etwas südlich versetzt, damit die Paneele schräg hängen) und darüber mit den unteren Längsseilen verbunden sind, so dass sie im Endeffekt in einer geeigneten Winkelneigung zur Sonne hängen. Das jeweils obere Seil könnte als reines Tragseil ausgeführt sein, das untere dient der feineren Positionierung und Strom- sowie Datenverbindungen. Neben dem Hopfenanbau kann man sich auch an üblichen Techniken orientieren, wie sie bei Straßenbeleuchtungen und Straßenbahn-Oberleitungen zum Einsatz kommen: einfache Masten, zwischen denen Stahlseile gespannt sind und an denen Lampen bzw. Fahrdrähte aufgehängt sind. Wie oben beschrieben, lösen sich diese Probleme bei Bahntrassen und deren Oberleitungen fast von alleine.Fazit zur Stromgewinnung in zweiter EtageNoch einmal die Punkte, die oben schon teilweise angesprochen wurden: Die erreichbare Gesamtkapazität ist angesichts der riesigen möglichen Einsatzflächen enorm. Wenn man sie komplett ausnutzen würde, könnte ganz Deutschland zu einem Mehrfachen (optimistisch geschätzt bis zum 25-Fachen) des Strombedarfs versorgt werden! Es könnte sich bei allen diesen Anwendungen über auch sonst schon genutzten Flächen als günstig erweisen, dass man die Solarpaneele nicht flächendeckend anordnet, sondern mit mehr oder weniger großen Lücken dazwischen.
In einem Artikel (DER SPIEGEL, Heft 47/2021, S. 108, "Die Sonnenwende") wurden ebenfalls die obigen Ideen dargestellt, mit etwas schöneren Grafiken und konkreteren Zahlen für die Potenziale. Das könnte also einfach der maßgebende Trend für die Zukunft werden. Schön, wenn diese Ideen noch weiter verbreitet und weitergesponnen werden, das könnte uns allen vielleicht weiterhelfen. Mein ganz persönliches FazitSieht man sich die Potenziale der verschiedenen Ansätze an, gibt es in meinen Augen einen eindeutigen, überlegenen Gewinner: Agri-PV, Photovoltaik über Acker- und Weideflächen. Wenn man es noch ein bisschen preiswerter verwirklicht als in derzeitigen Versuchsinstallationen, also etwa wie beim Hopfenanbau, kommt man auf atemberaubende mögliche Kapazitäten, bei eher harmlosem Kostenniveau. Und der Ertrag der landwirtschaftlichen Flächen sollte dadurch kaum leiden, wenn er nicht sogar besser wird angesichts von Extremsommern. Mein radikaler Einfall: Stellt die Solarpaneel-Pflicht auf Hausdächern zurück, da kommt gar nicht so wirklich viel zusammen. Stattdessen sollte man über eine Förderung, wenn nicht sogar Pflicht für Agri-PV nachdenken!SpeicherungWenn mit den oben erläuterten Verfahren große Mengen an elektrischer Energie gewonnen werden, verbleibt immer noch die Frage nach der Speicherung. Wie sorgt man dafür, dass beim Verbraucher auch in der Nacht und bei nicht so sonnigem Wetter genug Energie ankommt? Dieses Thema wird vor allem im Parallelartikel erörtert, siehe also dort.↑ Seitenanfang/Top of page / DSGVO, © Copyright Dr. Peter Kittel, Frankfurt/M, 2020, 2021, 2022, 2023, 2024 |